Der Faszination autodidaktischen Kunstschaffens wird in Essen im Museum Folkwang viel Raum gegeben: In dieser außergewöhnlichen, von Kasper König und Falk Wolf kuratierten Ausstellung „Der Schatten der Avantgarde. Rousseau und die vergessenen Meister“ gibt es dreizehn Künstler neu zu entdecken, die in den vergangenen Jahrzehnten fast ausschließlich im Kontext von Naiver Kunst oder Outsider-Kunst gehandelt wurden: André Bauchant, Erich Bödeker, William Edmondson, Louis Michel Eilshemius, Morris Hirshfield, Séraphine Louis, Nikifor, Martín Ramírez, Henri Rousseau, Miroslav Tichý, Bill Traylor, Adalbert Trillhaase und Alfred Wallis.
Einzig Henri Rousseau, von dem insgesamt acht Dschungel-Bilder und Portraits zu sehen sind, gilt auch als nicht-akademischer Künstler als eine feste Größe für die Beschäftigung mit der Moderne. Aber auch die spektakulären und zugleich beunruhigenden Blumenbilder von Séraphine Louis, deren sechs übergroße Bilder hier erstmals vereint werden, und die Historiengemälde von André Bauchant, die von Künstlern der Stunde hoch geschätzt wurden, gehören zu jener historischen Konfiguration, die als Moderne bezeichnet wird. Die Skulpturen von William Edmondson waren die ersten Werke eines Afro-Amerikanischen Künstlers, die schon 1937 in einer Einzelausstellung des Museum of Modern Art, New York, gezeigt wurden. Und Adalbert Trillhaase, dessen maßgebliche Hauptwerke in der Ausstellung versammelt sind, war gemeinsam mit Künstlern wie Max Ernst und Otto Dix ein Mitglied des Künstlerkreises um die Düsseldorfer Kunsthändlerin Johanna Ey. Auch an den lebensfrohen Werken des in den 1960er und 1970er Jahren aktiven Recklinghäuser Bildhauers Erich Bödeker lassen sich Anklänge an die gängige Kunst seiner Zeit erkennen.
Diese Kunstwerke sind originärer Bestandteil der Moderne, das wird hier vor Augen geführt. Gezeigt werden über 200 Werke, das Spektrum reicht dabei von Malerei und Zeichnung über Plastik bis zu Fotografie. Jeder der Positionen ist ein eigener Raum oder Bereich gewidmet, um das jeweilige Werk in dichter Zusammenstellung erleben zu können.
Der Schatten der Avantgarde – Rousseau und die vergessenen Meister. Bis 10. Januar 2016
Museum Folkwang, Museumsplatz 1, 45128 Essen
Fotos: Henri Rousseau, Le lion, ayant faim, se jette sur l’antilope, 1898/1905, Der hungrige Löwe wirft sich auf die Antilope, Öl auf Leinwand /Oil on Canvas, 201 x 301,5 cm, © Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Beyeler, Foto: Robert Bayer, Basel; Camille Bombois, Athlète forain, um 1930, Jahrmarktartist, Öl auf Leinwand, 130 x 89 cm / Oil on Canvas, Centre Pompidou, Paris, Musée national d’art moderne/Centre de création industrielle, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015, © Foto: bpk; Louis Michel Eilshemius, Samoa, 1907, Öl auf Karton, 59 x 68,6 cm, Oil on Cardboard, The Phillips Collection, Washington, D.C., Acquired 1927, © Foto: The Phillips Collection, Washington, D.C.