Charly Hübner im Interview

Zur Schauspielerei kam Hübner, 1972 als Sohn eines Gastwirt- und Hotelierehepaares im Kreis Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) durch einen Freund. Nach dem Abitur, nicht lange nach Mauerfall, heuerte er für erste Erfahrungen zunächst beim örtlichen Theater an, 1993 ging es für das Schauspielstudium an die renommierte Hochschule Ernst Busch in Berlin. Die ersten Berufsjahre verbrachte er fast ausschließlich auf Theaterbühnen, zunächst in Berlin, später in Frankfurt am Main. Erst ab den früheren 2000er Jahren wechselte er verstärkt vor die Kamera, meist für Nebenrollen im „Tatort“ oder anderen Fernsehproduktionen.

Ein Werbespot mit Wiedererkennungswert sowie ein kleiner Auftritt als Stasi-Mitarbeiter im Oscar-prämierten Welterfolg „Das Leben der Anderen“ sorgten schließlich dafür, dass Hübners Bekanntheitsgrad gehörig stieg. Bald war er nicht nur im Kinohit „Krabat“ zu sehen, sondern stand auch für Til Schweiger („1 ½ Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde“), Julie Delpy („Die Gräfin“) oder Detlev Buck („Hände weg von Mississippi“) vor der Kamera. Und Anke Engelke machte ihn für „Ladykracher“ zu einem ihrer Comedy-Partner. Denn ob Brecht und Shakespeare am Theater (seit 2013 vor allem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg), sympathische Loser oder verzweifelte Tatverdächtige in TV-Krimis oder eben Humor vom Feinsten – Charly Hübner kann alles.

Seit 2010 kann er auch Kriminalhauptkommissar, so lange schon ist er regelmäßig als Rostocker Ermittler Alexander Buckow im „Polizeiruf 110“ zu sehen. Die Rolle brachte ihm nicht nur den Bayerischen Fernsehpreis und eine Nominierung für den Grimme-Preis ein, sondern auch den endgültigen Durchbruch. Seither spielt Hübner, der mit seiner Kollegin Lina Beckmann verheiratet und Vater eines Sohnes ist, eine Hauptrolle nach der anderen, in gefeierten Fernsehfilmen wie „Unter Nachbarn“, „Bornholmer Straße“ und „Unterleuten“ genauso wie in Kino-Produktionen wie „Bibi & Tina“, „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ oder zuletzt „Lindenberg! Mach Dein Ding!“. Es gab den Deutschen Comedypreis, die Goldene Kamera und für „3 Tage in Quiberon“ eine Nominierung für den Deutschen Filmpreis.

Dass Hübner zu den Fleißigsten seiner Zunft gehört, hat sich über all die Jahre nicht geändert. Genug Zeit für Herzensprojekte bleibt allerdings trotzdem, sei es für eine eigene Regiearbeit (beim Dokumentarfilm „Wildes Herz“ über die ebenfalls aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Band Feine Sahne Fischfilet) oder eine Kollaboration mit dem Ensemble Resonanz, bei der jüngst – sowohl auf der Bühne als auch auf CD – Franz Schubert und Nick Cave miteinander verschmolzen wurden („mercy seat“). Nun ist der 47-jährige an der Seite von Lilith Stangenberg, Tristan Göbel und Alexander Scheer in der unheimlichen Serie „Hausen“ auf Sky zu sehen. Wir sprachen aus diesem Anlass mit ihm am Telefon.

Herr Hübner, „Hausen“ ist etwas, das es so bis vor kurzem eigentlich nicht gab: eine Horrorserie aus Deutschland. Die deutsche Fernsehbranche hat sich in den letzten paar Jahren wirklich grundlegend verändert, nicht wahr?

Das klassische Fernsehpublikum altert und das so genannte lineare Fernsehen ist einfach von der Globalisierung und dem Weltmarkt überrollt worden. Mit dem Auftauchen von Netflix war klar: Man kann sich sein Programm selbst zusammenstellen, was vorher immer noch eher kompliziert war. Bei Netflix war die Technologie schlagend und hat alle anderen auch erst einmal sofort abgehängt. Das hat sich bei den Jungen und Jüngeren natürlich durchgesetzt, denn man konnte geiles Zeug gucken, wann immer man Zeit hatte. Und ich hatte da immer die Hoffnung, dass dieser internationale Konkurrenzkampf auch hierzulande angenommen wird und wir mal den Blick auf die deutschen Verhältnisse ein wenig verlassen. Denn es gibt so viele junge Menschen, die mit amerikanischer, britischer, asiatischer oder russischer Popkultur groß geworden sind, und die gucken ganz anders auch auf deutsche Zusammenhänge. Unter anderem durch diese Popfilter.

Sie meinen Genres wie Science Fiction oder eben Horror?

Zum Beispiel! Bislang wurde so etwas immer vor allem in Amerika mit viel Geld entworfen. Und dieses finanzielle Ungleichgewicht gibt es nach wie vor. Aber der Gang bei „Hausen“ war, wie mir scheint, dass Produzent Marco Mehlitz und verstärkt nochmal Regisseur Thomas Stuber entschieden haben, den umgekehrten Weg zu gehen. Also mit dem Geld, was da war, alles herunter zu reduzieren auf dieses Setting, das hat mir gut gefallen. Was kann man erzählen, wenn man nicht die 365 Kameras von James Cameron oder ein Budget von 320 Millionen Dollar zur Verfügung hat? Da kommt man dann auch relativ schnell in so einen postapokalyptischen Moment rein.

Konnten Sie auf Anhieb etwas mit diesem Ansatz anfangen?

Beim Lesen der ersten Entwürfe erschloss sich mir noch nicht sofort, was genau diese Serie sein soll. Aber Thomas Stuber und ich wollten schon länger mal miteinander arbeiten. Und ich fand es spannend, dass es hier für jede Figur um ein bisschen was anderes geht, dadurch ist die Sache auch so geheimnisvoll. Im Fall meiner Figur Jaschek Grundmann sind die Themen Schuld und Ignoranz. Und so eine verstockte Männlichkeit, nach dem Motto: Ich weiß, wie es geht, alle anderen haben Unrecht. Natürlich war auch die Frage interessant, wie man so etwas überhaupt spielt, auf eine so reduzierte Weise. Vor allem weil das Außen sich ja seiner irgendwann bemächtigt.

Im Grunde ist „Hausen“ eine Haunted House-Geschichte, mit einem alten Plattenbau im Zentrum. Gedreht wurde in einem stillgelegten Krankenhaus in Buch bei Berlin. Waren die Dreharbeiten annähernd so unheimlich wie nun das, was auf dem Bildschirm zu sehen ist?

Ich habe das nicht als so düster empfunden, aber das liegt sicherlich auch an der Sicht meiner Figur. Denn anders als sein Sohn, der von Anfang an spürt, dass der Apfel faul ist, ignoriert dieser Jaschek das ja komplett. Der zieht stur seinen Stiefel durch und macht seine Arbeit als Hausmeister. Schwieriger als das Set waren vielleicht die Umstände.

Ach ja?

Es wurde halt letzten Herbst immer dunkler, und irgendwann war ich – außer am Wochenende – wirklich nur noch in der Dunkelheit oder in künstlichem Licht unterwegs. Zudem war es dauerhaft nass und kalt. Irgendwann gab es keine richtige Kernwärme mehr, weil unter der Haut so eine Grundkälte blieb. Immer in diesen feuchten Gemäuern, draußen war es auch feucht und eben dunkel. Dann noch in einem Funkloch und far away von der Hauptstadt.

Manche Schauspieler finden solche Umstände ja super, Stichwort: Method Acting. Weil es hilft, in die Rolle zu finden. Geht Ihnen das also nicht so?

Das kommt immer darauf an … Im Fall von „Hausen“ war das für mich einfach kein Sujet, das nach Method Acting schreit. Da ging es eher ums Handwerkliche. So wie beim Tanz, wo man bestimmte Schritte und Figuren beherrschen muss. Wenn man einen Western spielt, holt man die Luzie raus und macht ein Fass auf. Manchmal muss man aber auch gar nichts machen, und Regie und Kamera sagen: Es reicht wenn du da die Wand anguckst, den Rest machen wir. So war es hier.

So ein Verschmelzen mit der Rolle ist also nicht so Ihrs?

Mal so, mal so! Als ich in „Magical Mystery“ den Karl Schmidt gespielt habe, musste ich schon in diese Dauermelancholie hinein. Weil alle anderen um mich herum, diese ganzen Techno-Erwins, die ganze Zeit Halligalli machten. Für mich war klar, dass ich mich da isolieren musste, denn bei Sven Regener, der ja den Roman und das Drehbuch geschrieben hat, ging es wirklich um einen seelischen Moment. Und diese Regenersche Melancholie, an die ich da so nah heran kam und die ich von mir selbst, als Person, gar nicht kenne, hat mich wirklich gewickelt.

Begeisterung ist ein gutes Thema und auch das Motto dieser Ausgabe. Sind Sie allgemein leicht zu begeistern?

Ich bin auf jeden Fall jemand, der sich für verrückte Geister begeistert. Und schnell dabei ist, Sachen weiterzuspinnen. Wenn jemand bei Theater oder Film eine tolle Idee hat, dann glaube ich nicht nur fest daran, dass die zustande kommen wird, sondern bin auch immer gerne bereit, sie konkret weiter zu treiben. Wenn ich mich für etwas entfachen will, dann tue ich das schnell und anhaltend.

Wofür begeistern Sie sich jenseits der Arbeit?

Meine Familie, die tägliche Elbe, gute Weine, viel Motörhead, viel Gustav Mahler und zwischendrin wenig Takt.

Haben Sie zuletzt auch als Film- und Fernsehzuschauer irgendetwas gesehen, das Sie begeistert hat?

Wir konnten viel mit der Serie „Messiah“ anfangen, die insgesamt ja eher durchgefallen ist. Uns hat sie irgendwie erreicht, weil wir es interessant fanden, mal durchzuspielen, wie das heute aussehen würde. Die Messias-Figur im Judentum ist ja nach wie vor vakant, was ich als nicht-religiös erzogener Mensch den spannendsten Ansatz in Sachen Religion finde. Und dass man auf den Heilsbringer wartet anstatt zu denken, dass er schon da ist und uns sagt, wie die Sache hier flutscht, wäre doch für den Lebensweg viel hilfreicher als so eine Ansagentafel zu befolgen, die vor vielen Jahren irgendwo hingehangen wurde.

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