Daniel Craig exklusiv im Interview

Was braucht es, um die Aufgaben des berühmtesten Geheimagenten der Welt zu übernehmen? Bislang war das stets recht klar umrissen: männlich und weiß musste man sein, und vor allem von den Britischen Inseln stammen. Mindestens genauso wichtig aber ist es, dass der Schauspieler, der 007 wird, einerseits schon einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, aber andererseits keinesfalls so berühmt ist, dass er womöglich die Rolle überschattet. Insofern also war Daniel Craig, als er vor 15 Jahren zum neuen James Bond ausgerufen wurde, genau die richtige Wahl. Weit über zehn Jahre schon war Craig, der am 2. März 1968 als Sohn eines Navy-Fähnrichs und Stahlarbeiters und einer Lehrerin im englischen Chester geboren wurde, bereits vor der Kamera aktiv als man ihm 2005 die Aufgabe übertrug, der neue 007 zu werden. Mit 16 Jahren hatte er die Schule abgebrochen und war nach London gezogen, wo er am National Youth Theatre aufgenommen wurde. Es folgten ein Schauspielstudium an der Guildhall School of Music and Drama, Theaterengagements, etwa in „Angels in America“, und erste Film- und Fernsehrollen wie in „Im Glanz der Sonne“ (immerhin mit Morgan Freeman und Armin Müller-Stahl) oder „Die Abenteuer des jungen Indiana Jones“.

In Deutschland wurde der Brite damals – nach erster kurzer Ehe, aus der seine Tochter Ella hervorging – zunächst als Lebensgefährte von Heike Makatsch bekannt, die damals gerade das Musikfernsehen hinter sich ließ und als Schauspielerin durchstartete. Bei Dreharbeiten zum Film „Obsession“ lernten sich die beiden 1996 kennen, und lebten dann mehrere Jahre zusammen in London. In dieser Zeit nahm auch Craigs eigene Karriere Fahrt auf: Im Kostümdrama „Elizabeth“ spielte er eine kleine Rolle neben Cate Blanchett, in „Lara Croft: Tomb Raider“ war er als Angelina Jolies Freund zu sehen, in „Road to Perdition“ stand er als Sohn von Paul Newman vor der Kamera seines späteren Bond-Regisseurs Sam Mendes. 2000 wurde er, genau wie August Diehl und Nina Hoss, als European Shooting Star bei der Berlinale geehrt.

Als 007-Produzentin Barbara Broccoli und ihr Bruder Michael G. Wilson ihn 2005 schließlich zum neuen James Bond ausriefen, stieß diese Entscheidung erst einmal auf Skepsis. Der Unterschied zum Vorgänger Pierce Brosnan mit seinem makellos-eleganten Gentleman-Style schien zu groß: die Haare zu blond, die Augen zu blau und irgendwie Craig als Gesamtpaket nicht heldenhaft genug. „James Bland“ (also: James Langweilig) titelte die britische Presse. Doch als „Casino Royale“ ein Jahr später in die Kinos kam, sah die Sache plötzlich anders aus. Muskelbepackt, aber auch verletzlich; cool, kantig und ordentlich brutal; gerne mal mit Bier statt Martini in der Hand, aber trotzdem lässig in Maßanzug und hinter dem Steuer des Aston Martins – mit einem Mal war der Mann, der zu Schulzeiten auch gern Rugbyspieler geworden wäre, der perfekte Bond fürs neue Jahrtausend.

Der einzige, der nicht zu 100% von dieser neuen Rolle überzeugt schien, war Craig selbst. Drei weitere Mal war er seither als 007 zu sehen – in „Ein Quantum Trost“, „Skyfall“ und „Spectre“ – doch allem Erfolg zum Trotz ließ er selbst in Interviews immer wieder durchblicken, dass der Part auch Nachteile mit sich bringt: zu viel öffentliche Aufmerksamkeit, zu wenig Zeit für Anderes, zu harte körperliche Arbeit (Verletzungen inklusive). Regelmäßig kokettierte der Schauspieler damit, die Rolle an den Nagel zu hängen. Jetzt hat er Ernst gemacht: Dass er in „Keine Zeit zu sterben“ seine Abschiedsvorstellung als James Bond gibt, ist kein Geheimnis.

Dass er seit seinem Antritt als Geheimagent und Superstar gar nichts anderes gemacht habe, stimmt natürlich trotzdem nicht. Craig war in Megaflops wie „Cowboys & Aliens“ ebenso zu sehen wie in Spielbergs „Tim & Struppi“-Abenteuer, wurde gefeiert für seine Hauptrolle als Mikael Blomkvist in David Finchers „Verblendung“ und gönnte sich augenzwinkernde Auftritte wie in „Logan Lucky“ von Steven Soderbergh. Gerade erst Anfang dieses Jahres feierte er als Privatdetektiv Benoit Blanc in der Krimikomödie „Knives Out“ einen Überraschungshit (und seine erste Golden Globe-Nominierung), der womöglich schon kommendes Jahr eine Fortsetzung bekommen soll. Besonders gut, so hört man, gefielen Craig, der seit seiner Jugend Fan des FC Liverpool ist, die drei Jahre zwischen „Skyfall“ und „Spectre“: kompletter Rückzug ins Privatleben, sieht man von seinen Aufgaben als UNO-Sonderbeauftragter gegen Landminen sowie einem Theaterstück am Broadway ab. In letzterem stand er gemeinsam mit Ehefrau Rachel Weisz auf der Bühne, mit der er seit 2011 verheiratet und seit 2018 auch Vater einer Tochter ist.

Was hat der 52-jährige nun also für seine Nach-Bond-Ära geplant? Doch dazu will er bei unserem Interviewtermin in einem Designhotel im New Yorker Stadtteil SoHo nichts sagen. Also haben wir mit ihm einfach über James Bond und „Keine Zeit zu sterben“ gesprochen. Link zum Film: www.universalpictures.de

Mr. Craig, Sie und James Bond, das war irgendwie immer eine Art Hassliebe, oder?

Ja, das kann man wohl so sagen. Was ich auch sehr nachvollziehbar finde. Denn einerseits bin ich unglaublich stolz auf unsere Filme und natürlich auch enorm dankbar dafür, was man mir all dies ermöglicht hat. Aber andererseits kostet dieser Job auch stets sehr, sehr viel Zeit und Energie, so dass ich jedes Mal nach den Dreharbeiten erst einmal Abstand brauchte und mir nicht vorstellen konnte, das noch einmal auf mich zu nehmen. Wenn ich in solchen Momenten „nie wieder“ gesagt habe, dann nicht, weil ich undankbar
war, sondern eine Pause brauchte. Zwischen „Spectre“ und „Keine Zeit zu sterben“ lagen jetzt fünf Jahre – und das war nötig und
gut so.

Und wie fühlt es sich nun an, tatsächlich Abschied zu nehmen von 007?

Das ist schon eine sehr emotionale Angelegenheit. Aber insgesamt fühlt sich das gut an, sehr zufriedenstellend. Ehrlich gesagt hatte ich nicht damit gerechnet, überhaupt noch ein fünftes Mal in die Rolle zu schlüpfen. Doch tatsächlich stand plötzlich noch eine Geschichte im Raum, die wir einfach erzählen mussten. Ein Abschlusskapitel sozusagen.

Mit „Keine Zeit zu sterben“ schließt sich also wirklich ein Kreis?

Das will ich meinen. Wir haben uns bei jedem Film hohe Ziele gesetzt, und ich würde denken, dass es kein höheres Ziel gibt als Liebe und Familie. Und genau um diese Themen dreht sich nun letztlich unser neuer Film. Familie, das sind für Bond Wegbegleiter wie Moneypenny, Q, natürlich M oder auch CIA-Agent Felix Leiter, ob er es mag oder nicht. Mit Gefühlen hat er es ja nicht so, aber dass ihm diese Menschen etwas bedeuten, lässt sich nicht bestreiten. Deswegen fand ich es ganz wunderbar, wie wir sie nun alle in der Geschichte von „Keine Zeit zu sterben“ vereint haben. Abgesehen davon, dass es natürlich – Léa Seydoux als Madeleine Swann sei Dank – eine tolle Liebesgeschichte und in Rami Malek einen fantastischen Bösewicht haben.
Haben Sie noch einen Überblick darüber, wie viele Verletzungen Sie sich in der Rolle als Bond zugezogen haben?

Ich bin mir nicht sicher, wie viele Narben ich habe. Aber sagen wir es mal so: mein Arzt, ein orthopädischer Chirurg in Baltimore, kennt jeden Zentimeter meines Körpers. Und ich habe dank Bond mehr Respekt denn je vor Profisportlern. Denn ich weiß jetzt, wie es sich anfühlt, wenn Verletzungen ganz selbstverständlich zum Job dazugehören – und man trotzdem jedes Mal so schnell wie möglich regenerieren und weitermachen muss.

Geben Sie doch mal ein Beispiel: wie viel körperliche Vorbereitung erfordert ein Bond-Film?

Früher waren drei oder vier Monate völlig in Ordnung. Aber je älter ich werde, desto länger brauche ich, um fit zu werden, das ist einfach so. Im Fall von „Keine Zeit zu sterben“ habe ich mich ungefähr ein Jahr lang auf die Dreharbeiten vorbereitet.
Was auch daran lag, dass relativ lange am Drehbuch gearbeitet wurde. Da konnte ich natürlich nicht unbedingt helfen, also habe ich die Zeit genutzt und zu trainieren begonnen.

Und sicherlich zu hungern …

Na ja, das will ich gar nicht so hoch hängen. Wenn ich mir einmal ein bestimmtes Diät-Programm verordnet habe, fällt es mir nicht so schwer, mich daran zu halten. Zumal wenn die Produktion begonnen hat, denn dann habe ich einen Koch, der sich darum kümmert. Auch mein Trainer und mein Team haben das natürlich immer im Blick. Und es ist ja in meinem eigenen Interesse, denn die Fitness gehört nun einmal zu Bond dazu – und selbstverständlich habe ich den Ehrgeiz, die Rolle so gut wie möglich zu verkörpern! Was allerdings nicht heißt, dass ich mir dann nicht an den Wochenenden auch mal Bier und ein Dessert gönne.

Zum Abschluss noch ein Blick zurück: Erinnern Sie sich noch an all die kritischen Stimmen, bevor Ihr erster Auftritt als James Bond in die Kinos kam?

Das ist ewig her! Ich fand das damals nicht unbedingt leicht, aber ich habe verstanden, was da los war. 2005 war es noch eine recht neue Sache, dass alle Welt sich im Internet aufregte und so etwas echte Wellen schlug. Das hat mich aber nicht aus der Fassung gebracht. Ich wusste, dass ich weder Pierce noch Timothy, George, Roger oder Sean kopieren konnte, sondern mein ganz eigener Bond sein musste. Ich war fest davon überzeugt, dass wir einen tollen Film gedreht hatten. Entweder die Leute würden ihn mögen oder eben nicht. Und falls letzteres der Fall gewesen wäre, hätte ich auch damit leben können, diese Rolle nur ein einziges Mal gespielt zu haben. Dass es dann ganz anders kam, freut mich aber natürlich!

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